top of page

Zur aktuellen Lage in Bangladesch

 

​Die bisherige Regierung unter der Ministerpräsidentin Sheik Hasina und ihrer Partei, der Awami League, ist gestürzt. Auslöser des Umsturzes waren Studentenproteste, die sich gegen die staatliche Regelung zur Vergabe von öffentlichen Jobs richteten. Bis zu 30 % der Arbeit in öffentlichen Einrichtungen war den Kindern von ehemaligen Freiheitskämpfern aus dem Unabhängigkeitskrieg 1971 vorbehalten. Für Studenten, die auch nach dem Studium Schwierigkeiten haben, eine Arbeit zu finden, war dies eine unakzeptable Regelung. Die Regierung unter Scheikh Hasina ging gewaltsam gegen die Studentenproteste vor. Es gab zahlreiche Tote. Immer größere Bevölkerungsteile, die schon länger mit der Regierung unzufrieden waren, schlossen sich den Studentenprotesten an. Als sich das Militär weigerte, gegen die Demonstranten vorzugehen, war die Macht Scheikh Hasinas gebrochen. Sie floh mit ihrer Familie nach Indien.

 

Anschließend übernahm eine Übergangsregierung unter der Führung des Nobelpreisträgers und Wirtschaftsprofessors Mohamed Yunus die Aufgabe, Bangladesch bis zur Durchführung von Neuwahlen zu regieren. Wann diese stattfinden ist noch ungewiss. Es ist davon auszugehen, das die bisherige konservative Oppositionspartei Bangladesh National Party (BNP) bei Neuwahlen als Sieger hervorgehen würde. Auch die BNP stünde dann vor der Aufgabe, die ausufernde Korruption in Bangladesch zu bekämpfen. Dazu braucht es z.B. staatliche Organisationen, die unabhängig von politischer Einflussnahme und Vetternwirtschaft ihre Aufgaben meistern können. Dies gilt für die Justiz wie für Verwaltungseinrichtungen. Denn vieles, was per Gesetz festgelegt wird und zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung führen könnte, wird in der Umsetzung durch die allgegenwärtige Korruption abgeschwächt.

​

Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen macht Bangladesch jedoch wirtschaftliche und soziale Fortschritte z.B. im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich. Stabilisieren wird dies Bangladesch aber nur dann, wenn diese Fortschritte – vor allem die wirtschaftlichen – auch bei der Masse der Bevölkerung ankommen.

Dies wird die Herausforderung für die kommende Regierung sein. Gelingt es ihr nicht, die Lebensumstände der Bevölkerung in der Breite zu verbessern, wird auch sie wieder abgewählt oder gestürzt werden. Eine Regierung, die sich zum Ziel setzt, die Lebensumstände der Bevölkerung zu verbessern und gegen die Korruption vorzugehen, hat jede Unterstützung verdient – auch aus dem Ausland.

Das Europäische Lieferkettengesetz könnte ein richtiger Schritt dazu sein. Firmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl, die Produkte in Bangladesch fertigen lassen und diese in Europa verkaufen, sind nun – mit strafrechtlicher Relevanz – dafür verantwortlich, dass ihre Subunternehmen in Bangladesch und anderen Billiglohnländern Mindeststandards bei Löhnen und Arbeitsbedingungen einhalten.

Falls die Umsetzung des Gesetzes gelingt, bedeutet dies eine reale Verbesserung der Lebensumstände für viele TextilarbeiterInnen in

Bangladesch. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Gesetz, nachdem es in der Praxis erprobt worden ist, noch einmal nachjustiert werden muss. Und sicherlich reicht ein europäisches Lieferkettengesetz nicht aus – ein internationales, weltweites Lieferkettengesetz ist zwingend notwendig.Viele Länder haben dazu innerhalb der UN einen Entwurf vorgelegt. Auch Deutschland sollte sich an der Ausgestaltung eines weltweiten Lieferkettengesetzes beteiligen.

bottom of page